Sonntag, 20. April 2014

Seltsame Sitten I: Das Leiden lebt

"Es war ein bisschen hart und jetzt bin ich müde." Jesusdarsteller Eduardo San Miguel

  Vom letzten Abendmahl bis zur Kreuzigung auf dem Kalvarienberg und der Auferstehung - In Castro-Urdiales, einer kantabrischen Kleinstadt gut 30 Kilometer von Bilbao entfernt wird, jedes Jahr zu Ostern der Leidensweg von Jesus Christus nachgespielt.
  Und das nicht gerade dezent. "Pasión Viviente" heißt das Spektakel, man darf das wörtlich nehmen: Blut fließt - echtes, kein Kunstblut-, und es wird gefoltert, geschlagen gepeitscht: Mel Gibson, der Regisseur von "Das Leiden Christi" hätte es kaum besser inszenieren können.




  Seit 1984 werden die grausig-realistischen Passionsspiele in Castro-Urdiales abhgehalten. Die jedes Jahr wechselnden Jesusdarsteller tun nicht bloß so, als empfänden sie Schmerz, sie lassen sich wirklich auspeitschen und prügeln. Für sie gehört es zur Rolle, das Leid ihres Herrn wenigstens ein bisschen nachzuempfinden: Unter der Dornenkrone sickert Blut hervor, der Jesucristo wird an einem Strick durch die Straßen gezogen, auf seinen Schultern liegt ein 37 Kilo schwerer Balken, an den die durchgescheuerten Handgelenke gefesselt sind - und genau so wie der Jesus aus Bibel fällt auch der Jesuchristo von Castro-Urdiales drei Mal zu Boden, nur um unter Peitschenhieben wieder aufzustehen.



  "Es war ein bisschen hart und jetzt bin ich müde", sagte der diesjährige Jesusdarsteller Eduardo San Miguel der Lokalzeitung El Diario Montañés, "aber es macht mich glücklich, die Menschen zufrieden zu sehen."

  Der komplette Leidensweg des Zimmermanns aus Nazareth wird in einem gut fünfstündigen Marathon an verschieden Orten rund um die Kirche Santa María nachgespielt. Mehr als 23.000 Menschen haben sich das Spektakel nach Polizeiangaben angesehen. Entlang der Strecke sind dröhnend laute Lautsprecher aufgebaut, so dass man auch ohne Blick auf des Spektakel die komplette Handlung verfolgen kann: Jedes Stöhnen des Herrn, jeder Peitschenknall, das Murmeln Marias oder der Urteilsspruch des Pontius Pilatus. Und der halbe Ort macht mit: Knapp 700 Einwohner waren in diesem Jahr verkleidet als römische Soldaten, Leprakranke, Tempelhuren, jüdische Priesterherren und, natürlich, Jesus Christus, Maria, Josef, Veronika, Maria Magdalena und wie sie alle heißen.


  Jesusdarsteller Eduardo San Miguel ist 27 Jahre alt, Gärtner, und bereits seit über 20 Jahren bei den Passionsspielen mit dabei. Er begann seine Karriere als Darsteller eines leprakranken Jungen und es war immer sein Traum, einmal als Jesus durch die Gassen des an sich malerischen Fischerorts gejagt zu werden.
  Seltsame Träume.















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