Montag, 8. Oktober 2012

AKW-Ruine um die Ecke

Morgenstimmung an der Ruine des Atomkraftwerks Lemoiz
am Golfo de Vizcaya (baskisch: Bizkaiko golkoa)
Da kurbelt man fast schon meditativ mit dem Rad auf einer hinreißend schönen Küstenstraße am Golf von Vizcaya entlang, fährt durch eine langgezogene Kurve - und erblickt plötzlich eine AKW-Ruine inmitten der grün bewachsenen Steilküste, vom Meer nur durch eine dicke Mauer getrennt, die von oben lächerlich schwächlich erscheint. Keine 30 Kilometer von Bilbao entfernt rostet das AKW Lemoiz schon seit Anfang der 80er Jahre vor sich hin.
Heute früh hatte ich endlich mal meine Kamera einstecken und das Licht hat auch gestimmt. Die Bilder der Ruine erinnern ein wenig an den Katastrophenreaktor im japanischen Fukushima. In Betrieb genommen wurde das AKW im Baskenland dagegen nie. Die irren Nationalisten der ETA haben die Fertigstellung damals mit einer Reihe von Anschlägen verhindert - und damit ein Paradebeispiel abgeliefert, wie das richtige mit den absolut falschen Mitteln erreicht werden kann.

Gaston Kirsche erläutert die Hintergründe in seinem interessanten Artikel über die spanische Atompolitik Jungle World (18/2011):
"Mit dem Schlachtruf »Baskenland oder Lemoiz« eröffnete die separatistische Guerille Eta 1977 eine Kampagne, die bis 1981 andauerte. In einer einzigen Nacht wurden 1977 zehn Büros des Unternehmens Iberduero gesprengt. In baskischen Städten stand an vielen Mauern geschrieben: »Goma-2 gegen Atomkraft«. Goma-2 war der Name des Plastiksprengstoffs, den die Eta für ihre Anschläge verwendete. Die Eta wurde von der Bewegung nicht nur akzeptiert, auch von gewaltfreien Gruppen, sie wurde von vielen auch als eine Art politische Avantgarde gesehen. Die Polizei trug mit ihrer Repression dazu bei, dass sich einige in der Bewegung einen militanten Widerstand wünschten.
Zweimal legten Etarras Bomben auf der Baustelle in Lemoiz, die Arbeiter töteten. 1981 entführte ein Kommando der Eta den leitenden Ingenieur von Lemoiz, José María Ryan. Sie forderte die Zerstörung der Baustelle. Als die Betreiber nicht nachgaben, wurde Ryan erschossen. Aus Protest gab es einen Generalstreik, den ersten gegen die Eta. Die Firma Iberduero stellte die Arbeiten in Lemoiz ein. Das Atomprogramm stockte in ganz Spanien, aber auch die Anti-AKW-Bewegung war wegen der Kriminalisierung und des militaristischen Vorgehens der Eta gespalten. Bis 1987 wurden noch einige AKW gebaut, aber von den 43, die unter Franco geplant waren, wurden nur zehn Reaktorblöcke an sieben Standorten fertiggestellt, von denen zwei mittlerweile stillgelegt worden sind."

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