Sonntag, 7. Oktober 2012

Bilbao-Defekt

Bilbao-Effekt

Kaum ein Reiseführer über das Baskenland, kaum ein Reisemagazin über Nordspanien, kaum ein Prospekt über Vizcaya ohne ein Titelfoto des Museo Guggenheim in Bilbao mit seiner in der Sonne glitzernden Hülle aus Titan. Vor allem das Museum hat aus der Stadt ein Touristenziel gemacht, allein im Jahr der Eröffnung 1997 wurde eine Million Besucher gezählt. Der untrennbar mit dem Guggenheim Museum verbundene Strukturwandel der Hauptstadt von Vizcaya hat sogar den Namen "Guggenheim-Effekt" erhalten.


"Der inzwischen Bilbao-Effekt (auch: „Guggenheim-Effekt“) genannte Boom versetzte die arbeits- und hoffnungslos rostende Industriedeponie Bilbao in prosperierenden Taumel, riss das ganze Land mit, reißt Riesenlöcher in die Erde", heißt es dazu in der Online-Enzyklopädie Wikipedia: "Voraussetzung war die Integration der sich über fünfzehn Kilometer entlang der Trichtermündung des Nervión hinziehenden heterogenen Stadtteile, die zusammenhanglos wie im Wuppertal vor der Schwebebahn, kaum urbane Identität stifteten. Sir Norman Foster hatte mit seiner verbindenden Metrostrecke den Boden dafür bereitet. Das puristische Design erhielt eine Liebeserklärung, die Bilbaínos tauften die Abgänge „Fosteritos“."

Licht und Schatten

Das mag Flaneure und Freunde schön hergerichteter Innenstädte freuen. Der Wandel hat aber auch weniger bekannte Schattenseiten, die Werner Girgert in seinem interessanten Text in der Berliner Zeitung (2011) beschreibt, den ich gestern zufällig entdeckt habe. Titel: "Bilbao-Defekt": "So beschert der Guggenheim-Ableger der Stadt Bilbao zwar einen erheblichen Image-Gewinn und knapp eine Million Kulturtouristen jährlich (...) Von den rund 4000 neu entstandenen Arbeitsplätzen in Hotels und Restaurants ist gerade mal jeder Vierte ein Vollzeit-Job. Bei 40 Prozent handelt es sich um prekäre oder informelle Beschäftigungsverhältnisse. Und die Löhne in Bilbao zählen zu den niedrigsten im Baskenland."

Gleichzeitig seien in den Vierteln rund um das Museum die Immobilienpreise gewaltig in die Höhe geschossen.

"Allein in den ersten sieben Jahren nach der Eröffnung stieg im Zentrum von Bilbao der Preis für Wohnungen im Durchschnitt um 150 Prozent. Inzwischen zählt Bilbao neben Madrid und Barcelona zu den teuersten Städten Spaniens. Geringverdiener finden bezahlbaren Wohnraum nur noch am Stadtrand. (...) Zu den Gewinnern zählen die gut verdienenden Mittel- und Oberschichten, Verlierer sind die Armen und Geringverdiener."

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